Die älteste Mainzer Buchbinderei Gärtner feiert 2016 ihr 125jähriges Geschäftsjubiläum. Zu diesem Anlass wurden wir, die Studenten der Hochschule Mainz, beauftragt, eine Firmenchronik zu konzipieren und zu schreiben. Die Chronik „Von springenden Rücken, flachen Fröschen & der goldenen Luft — 125 Jahre in der ältesten Mainzer Buchbinderei “ dokumentiert die vier Inhaber, ihr Leben und ihr Wirken anhand ausgewählter Objekte mit zugehörigen Geschichten. Die Chronik wurde vom Inhaber selbst gebunden. Der Titel im Leineneinband ist in Blindprägung angefertigt.
Buch- und Textgestaltung 
Gruppenarbeit (4) // Konzeption & Design, Designmanagement 
Betreut durch  Prof. Dr. Charlotte Schröner & Nadja Mayer 
HS Mainz // SS 2015 
Konzeption 
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Der Almanach "Von springenden Rücken, flachen Fröschen & der Goldnen Luft — 125 Jahre in der ältesten Buchbinderei Mainz" spiegelt die Vielschichtigkeit und den organischen Charakter mit der die Buchbinderei Gärtner als lebendiges Stück Geschichte in Mainz heranwächst, ein durchgehender, goldener Faden einer Erfolgsgeschichte. 
Diese Chronik erzählt von vier starken Persönlichkeiten, die die Buchbinderei geleitet und beeinflusst haben. Das funktionstüchtige Objekt ist Gold, jedoch geht es nicht um "das goldene Buch". Dabei werden Anekdoten aus allen Epochen der 125 Jahre zum Vorschein gebracht, die chronologisch die Geschichte der Buchbinderei erzählen. 
Dem steht die Geschichte von Mainz als relativer Zeitkontext gegenüber.  Es erzählt von Menschlichkeit, das Verständnis, sowie die Ruhe und die Wärme, die der Ort ausstrahlt. Es lässt einen mitnehmen in die Vergangenheit, in die Gegenwart und die Zukunft. 

Umsetzung & Gestaltung  
Die Geschichte der Buchbinderei Gärtner ist eine Geschichte in Objekten, eingeteilt in vier Rahmengeschichten der Buchbinderei, die ineinander greifen — so wie ein Uhrwerk. Die Biografien der Buchbinder in Einklang mit der Geschichte von Mainz leiten die vier großen Kapitel ein. Diese bestehen aus Stichproben, die die Vielschichtigkeit der Buchbinderei sichtbar machen und die Goldstücke der Geschichte festhalten. Jedes Kapitel enthält 12 1/2 Objekte, das letzte teilen sich die beiden angrenzenden Kapitel als Überleitung. Die Objektgeschichten und die dazu gehörigen Visualisierungen erzählen z.B. über das Handwerk, die Papiere, Gedanken und Charakterzüge der Buchbinder, erklären Begriffe und erzählen über Alltagsgeschichten etc. 



Objekttext: Starallüren im kleinen Format

Am Ende eines langen Tages und noch etwas außer Atem hing er nun dort, zwischen Mainz 05-weiß-rotem-Trikot-Magnet und aalglatter Kühlschrankwand. Draußen setzte bereits die Abenddämmerung ein, aber besser hätte es heute für den kleinen Handzettel nicht laufen können. Gestern erst frisch auf der Druckerpresse zum Leben erweckt, konnte er sich heute von seiner besten Seite präsentieren.  
Als makelloser Neuzugang platzierte er sich mit Beginn der Ladenöffnungszeiten eindrucksvoll auf dem Tresen der „Claudius“-Buchhandlung.  Hier hoffte er von vielen Interessenten entdeckt und mitgenommen zu werden, was schon bald mit einem freundlichen Lächeln und dem Strahlen aus zwei kugelrunden, schokobraunen Augen eines älteren Herrn belohnt wurde. Ein zufriedenes, „diese Buchbinderei kenne ich ... dort habe ich unsere Familienchronik anfertigen lassen“, wurde durch den tiefen Gong der Türglocke unterbrochen. Sehr stolz, für einen so stadtbekannten Auftraggeber auf Tour zu sein, streckte der kleine Handzettel motiviert erneut seine Oberseite ins beste Licht, was nicht unbemerkt blieb. Just in diesem Moment wurde er von einer zarten Frauenhand emporgehoben, dabei ein wenig unsanft hin und her geschüttelt, begleitet von Oh’s und Ah’s und weiteren Freudenbekundungen, die sich vermutlich auf einen unvergesslichen Buchbinder-Workshop mit seinem Auftraggeber bezogen.  Ihm sollte es recht sein, solange die werte Dame ihn wieder sicher an seinen ursprünglichen Bestimmungsort, den Tresen, zurück beförderte. Dabei bemerkte er aus dem Augenwinkel, wie ein Mittzwanziger durch den Buchladen schlich und nun den Weg zur Kasse antrat.  
Mit neuem Ehrgeiz und dem heroischen Ziel, diese Chance jetzt nicht verstreichen zu lassen, machte sich der kleine Handzettel bereit für einen letzten, starken Auftritt bevor der Laden schließen würde. Diesmal schien er Erfolg zu haben, denn besagter junger Herr bekundete Interesse, griff vorsichtig nach dem kleinen Handzettel, hob ihn empor und drehte ihn mehrmals um die eigene Achse, dass ihm regelrecht schwindelig wurde. Und während der junge Herr in seinen Dreitagebart noch etwas von “da steht ja gar keine Internetadresse drauf ...“ murmelte und gerade wieder im Begriff war, den kleinen Handzettel etwas unsanft auf den Tresen fallen zu lassen, fiel ein zarter Lichtstrahl auf folgende Worte: „Wir restaurieren alte Spiele“. Langsam breitete sich ein verschmitztes Grinsen auf dem Gesicht des jungen Herrn aus, denn als passionierter Brettspieler war diese Information Gold Wert. Kurze Zeit später landete er in der bereits vorgewärmten rechten Hosentasche. Besser hätte es heute für ihn nicht laufen können.
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